Man weiß nicht, ob Harald Grunert der Castor oder der Pollux von Friedel Drautzburg ist. Beide Gastronomen sind seit dem Ende ihrer gemeinsamen Bonner Zeit und dem Beginn ihrer Berliner Zeit im Jahr 1997 so unzertrennlich wie jene beiden Helden.
Castor und Pollux waren auch Faustkämpfer und Rosselenker.
Das mögen beide nur im übertragenen Sinn sein: Drautzburg als einstiger Wahlkämpfer, der mit Günter Grass für Willy Brandt warb und später ebenso vehement für den Erhalt der Bundeshauptstadt Bonn stritt (inzwischen befürwortet er jedoch Berlin, nicht zuletzt wegen des dortigen StäV-Erfolgs).
Und Drautzburgs Partner Harald Grunert als Rosselenker und erster Prinz des von ihm im Februar 1998 nach Berlin gebrachten rheinischen Karnevals.
„Wer nichts wird, wird Wirt".
Beide belächeln den Spruch: „Wer nichts wird, wird Wirt.“ Denn sie waren schon längst etwas geworden, ehe sie Wirte wurden.
Grunert ein gestandener Sozialarbeiter und Drautzburg Jurist mit Prädikatsexamen der Bonner Universität, Vorsitzender des Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB) und dann wissenschaftlicher Assistent im Bundestag.
Friedel Drautzburg
Friedel Drautzburg wurde am 18. Juni 1938 in Wittlich an der Mosel geboren. Nach dem Abitur absolvierte er in Bonn das Jurastudium mit Hilfe des Repetitors Schneider. Bei diesem Prüfer lernten sich viele kennen, die später Karriere machten. Zum Beispiel Ulrich Wickert, der später bei Friedel Drautzburg kellnerte. Oder Thilo von Trotha, der Redenschreiber bei Helmut Schmidt wurde.
Drautzburg wurde sogar Romanfigur
Drautzburg verband eine tiefe Freundschaft mit Günter Grass (der 2015 verstarb)
Die damaligen Kommilitonen waren vereint in dem politischen Aufbruch der späten 60er Jahre. Drautzburg wurde sogar zur Romanfigur. In seinem Werk „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“ schrieb Günter Grass über seinen Wahlkampfhelfer Friedel Drautzburg:
„ ... aber Nürnberg wurde von uns gemieden, weil wir nur wenige große Städte und in der Regel Kleinstädte – wie Kleve – abklapperten.
... Ach Kinder, weil Drautzburg, der unseren VW-Bus fuhr, einer ehemaligen Verlobten wegen, die in Nürnberg wohnte, die Dürer-Stadt scheute und mehrmals Umwege vor sich und mir rechtfertigte
...Glaubt mir Kinder, unter Maria Theresia wäre er Pandur geworden und müsste heute als Kurier der Kaiserin in Fernsehfolgen querfeldein hetzen.
... Auch Drautzburg hat seinen Ehrgeiz: in kurzen Abständen verlobt er sich, um möglichst viele Mädchen revolutionär zu stimmen. Oder – wie er es nennt – zu ‚verlinkern’. Da er – wie ich – einen Schnauzbart trägt, hat er mir später, als wir zusammen auf Reisen gingen, viel Händeschütteln abnehmen können.
... Zur Zeit packt er im Büro die Pakete, gibt Ratschläge, telefoniert viel, kommt kurzfristig seinen ‚verlinkernden’ Verabredungen nach und wartet auf
unseren VW-Bus ...“
1970 kündigte Drautzburg seinem Chef, dem SPD-Bundestagsabgeordneten Dietrich Sperling und wurde Wirt der „Schumann-Klause“ in Bonn.
Nachdem der frisch gebackene Gastronom sich erste Sporen verdient hatte, begann sein Aufstieg von Schmalzbrot und Solei zu Tafelspitz und Lachsmousse.
Dreizehn gastronomische Gründungen zieren Drautzburgs Weg in Bonn.
Die „Elsässer Weinstuben“ gehörten dazu und zuletzt – vor dem Umzug nach Berlin – das „Amadeus“.
Harald Grunert
Harald Grunert, der bergischrheinische Karnevalsprinz von Berlin, ist ein südländisch aussehendes Gegenbild zum schnauzbärtigen Friedel Drautzburg, dem er in partnerschaftlicher Freundschaft verbunden ist. Geboren wurde er am 7. Juli 1949 in Rösrath. Anders als das Kriegskind Drautzburg ist Grunert ganz und gar ein Spross der Bundesrepublik, die im selben Jahr gegründet wurde. Nach seinem Studium wirkte er zwölf Jahre lang im Bonner Kinderdorf Godesheim als Sozialarbeiter. 1976 war Grunert Mitgründer der „Statt-Zeitung“ mit dem rheinischen Namen „De Schnüss“.
Harald Grunert ziert das Titelbild der „Bonner Illustrierten”. In dem dort veröffentlichten Interview mit Konrad Beikircher antwortete Grunert zur Hauptstadtfrage damals: „Kann ich nichts zu sagen. Ich war noch nie im Leben in Berlin.”
Zur Jahreswende 1980/1981 wechselte Grunert in die Gastronomie: Er arbeitete als Kellner in den „Elsässer Weinstuben“ und im „Gambrinus“ bei Friedel Drautzburg.
1982 übernahm er die erste eigene Kneipe, das „Kontiki“. Die nächste Station lag Mitte der 80er Jahre im Neon-Trend: „Grunert’s Nachtcafé“ (1985-1995).
Umzug nach Berlin
1997 standen die Partnerschaft mit Drautzburg und der gemeinsame Umzug nach Berlin auf der Tagesordnung. Drautzburg sagt über Grunert: „Er hat sich längst um Berlin verdient gemacht. Grunert etablierte in der Hauptstadt den rheinischen Karneval, der seitdem hier Zukunft hat.“ 1989 begann die geschäftliche Partnerschaft mit Friedel Drautzburg im „Friesdorfer Hof“ und später mit dem „Weinhaus Daufenbach“. Seither sind die beiden unzertrennlich. Grunert sagt zu ihrer Rollenverteilung: „Friedel ist der Außenminister, und ich bin der Innenminister.“ Dieses spüren Gäste und Personal gleichermaßen auf angenehme Weise.
Grunert, der inzwischen mit fünf Enkelkindern gesegnete Vater von vier Kindern nannte einmal als Arbeitszeit „nachts“ und sagte 1990 weniger kämpferisch als sein Partner zur Hauptstadtfrage: „Kann ich nichts zu sagen. Ich war noch nie im Leben in Berlin.“ Das hat sich nun geändert. Grunert lebt inzwischen seit fast zwanzig Jahren hier und wohnt neben der StäV. Er erzog die Berliner zum Karneval – es war ein volkspädagogischer Erfolg.
In der Saison 1999/2000 war es so weit: Harald wurde Harald I.
Zusammen mit Martina I. brachte dieses Prinzenpaar Berlin karnevalistisch auf Trab.
... und so schön, „einmol Prinz ze sin ...“!
2001 zog der „Zoch“ bereits Unter den Linden lang. Inzwischen können sich die Zuschauerzahlen mit jenen der rheinischen Hochburgen messen.
Nicht nur in dem Wechselspiel von „Außen- und Innenminister“ ergänzen die beiden sich bestens.
Mit dem „Wiederaufbau“ des Berliner Karnevals hat Grunert auch die Ständige Vertretung zum Berliner Inbegriff des närrischen Treibens gemacht...
Längst füllen die Artikel über Grunerts karnevalistische Arbeit fast genauso viele Ordner wie über die StäV an sich, und beide – Drautzberg als auch Grunert – sind Impresario für die Auftritte rheinisch-europäischer Künstler, von Konrad Beikircher bis zu den Höhnern im Tränenpalast vis à vis – wo man heute kaum noch merkt, welch trauriger Ort dies in den Zeiten der DDR-Mauer war.
Beinahe prophetisch schrieb Konrad Beikircher 1990 über Grunert: „Abgesehen davon, dass er fließend des Französischen mächtig ist, trägt er dieses Rheinisch-Mediterrane in sich.
Menschen wie er und überhaupt dieses Levantinische am Rheinland machen aus, dass Bonner Nächte zwar kleiner und unscheinbarer, nein: weniger scheinbar sein mögen als Berliner
Nächte, aber allemal leichter und genießerischer sind.“ Vieles davon gilt auch für den Eifelmenschen Drautzburg. Von diesem Esprit haben beide einiges nach Berlin verpflanzen können.
Andere Städte wie die Landeshauptstädte Bremen oder Hannover folgten. Inzwischen gibt es mit der StäV am KÖLN BONN AIRPORT auch wieder eine Ständige Vertretung im Rheinland.